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Auenland - Ein Paralleluniversum

Hej und ganz liebe Grüße aus dem Auenland,

 

Auenland, klingt ja erstmal nicht schlecht...

Und wahrscheinlich denkt der Ein oder Andere von euch jetzt an den Hobbit, Neuseeland und Abenteuer, quasi ein Paralleluniversum.

 

Ja auch ich war abgeschieden von der Außenwelt in einer Art Paralleluniversum, aber leider nicht in Neuseeland, sondern im Jugendbildungshof Auenland Mulartshütte bei Aachen.
Wie mein Mitfreiwilliger Basti es beschreibt "Ich freue mich schon auf die Idylle!", aus meiner Sicht als Dorfkind kein großer Unterschied zu Zuhause, bis auf das der Bus im Auenland nur alle zwei Stunden kommt...

 

Abgeschnitten von der Außenwelt hatten wir unser letztes von drei Vorbereitungsseminaren mit dem SDFV Aachen. Der SDFV (Sozialer Dienst für Frieden und Versöhnung) ist der Dachverband vieler kleiner Entsendeorganisationen und übernimmt hierbei die Vorbereitung für Freiwillige, die nach Equador, Bolivien, Kolumbien, Sambia oder nach Ghana reisen. Unsere bunt gemischte Truppe von 13 Freiwilligen traf sich ein letztes Mal bevor wir uns über die Welt verteilen.

Im Auenland hatten wir noch einmal die Chance uns gegenseitig auszutauschen,  Sorgen zu teilen, Probleme zu diskutieren, Rückhalt zu finden und zu erfahren, dass wir nicht verrückt sind, ein Jahr komplett weg zu wollen. Denn auch wenn unsere Familien und unsere Freunde hier in Deutschland immer für uns da sind und hinter uns stehen, ist es für sie manchmal nur schwer nachvollziehbar, was uns beschäftigt, und für uns manchmal auch einfach schwierig zu vermitteln, worüber wir gerade nachdenken.
So hatten wir kurz vor unserer Ausreise nocheinmal die Chance, uns intensiv mit unserem Freiwilligenjahr auseinanderzusetzen, aber wir waren natürlich nicht nur zum Spaß im Auenland, sondern auch um zu lernen.

Nachdem wir morgens, meistens geweckt von herrlichem Sonnenschein, aus unseren Zimmern kamen und einmal über den Hof zum Waschraum gelaufen waren, fühlte ich mich, wie im Campingurlaub.
Der Geruch vom Lagerfeuer des letzen Abends hing morgens noch in der Luft und auch die Küche erinnerte noch an den ein oder anderen Mitternachtssnack. Aber das war ja zum Glück immer nur das Problem der Frühstückstruppe. Ich weiß gar nicht, wieso ich so gerne das Frühstück vorbereitet habe...

Damit dann auch die letzten von uns wach wurden und im neuen Tag ankamen, fand vor dem Frühstück ein Morgenimpuls statt.

 

 

Das klingt jetzt vielleicht ein wenig spirituell und gewöhnungsbedürftig... Es war aber jeden Morgen eine schöne Art, in den Tag zu starten. Versammelt um die Reste des Lagerfeuers hörten wir morgens vor dem Frühstück ein schöne Geschichte, bekamen warmherzige Worte mit für den Tag oder auch mal die Aufgabe, einem anderen Freiwilligen im Laufe des Tages Kompilmente auf einen Zettel zu schreiben.

 

In Gedanken manchmal noch bei dem Morgenimpuls, ging es dann zum gemeinsamen Frühstück. Bei Vollkornbrot, Marmelade und vegetarischen Streichcremes bildete sich bald eine feste Sitzordnung. Streng sortiert nach Butterliebhabern oder den Fans einer bestimmten Streichcreme. Das Highlight war es dann, wenn wir Rührei zum Frühstück bekamen.

Das klingt fast wie Urlaub, aber nach dem Frühstück fing dann auch für uns die Arbeit an. Unsere Teamer achteten stets darauf, dass wir uns an den Wochenplan hielten und führten die verschiedenen Seminareinheiten mit uns durch.

Angefangen bei dem Thema "Was ist für dich Heimat?" mussten wir alle im Vorraus einen Gegenstand, ein Lied, eine Geschichte oder oder oder mitbringen und erfuhren somit wie unterschiedlich es ist, wo man sich Zuhause fühlt. Gleichzeitig habe ich für mich aber auch festgestellt, wie viele Dinge mich an meine Heimat erinnern, wodurch ich vielleicht auch ein Stück Heimat mit nach Ghana nehmen kann.

Auch interkulturelles Lernen stand groß auf unserem Wochenplan und beschäftigte mich auch im Nachhinein noch (Insel Albatros). Wie schnell man das Verhalten seines Gegenüber fehlinterpretieren kann und welche Folgen das haben kann, lernten wir beim Derdiane-Spiel. Dabei sollten Freiwillige versuchen mit den Menschen einer anderen Kultur eine Brücke zu bauen. Deren kuturelle Sitten kannten sie dabei nicht. So entstanden immer wieder Missverständnisse und am Ende war zwar eine Brücke gebaut, die beiden Parteien aber eher zerstritten und keiner wirklich glücklich über das Ergebnis.

Bei herrlichem Wetter beschäftigten wir uns dann mit dem Thema "Sexueller Missbrauch", da viele von uns in ihrem Projekt mit Kindern arbeiten und häufig nicht klar ist, was diese Kinder in ihrem vorherigen Leben erlebt haben.

 

Doch auch wir als Freiwillige sollten lernen, an wen wir uns wenden können, wenn wir mit Fällen von sexuellem Missbrauch konfrontiert werden und wie wir uns verhalten sollten.
Unseren herrlichen Schattenplatz mussten wir am Mittwoch dann leider aufgeben, da es den ganzen Tag über wie aus Eimer goss :-(.

 

Passend zu den Themen, Abschied nehmen und Kontakt nach Deutschland halten, entwickelte sich also auch das Wetter.

Während um uns herum die Welt unterging, verkrümelten wir uns unter Vordächer, verlegten den Stuhlkreis auf die Veranda und  setzten uns in Kleingruppe gemütlich im Kaminzimmer zusammen, wobei natürlich eine Decke nicht fehlen darf. Nachdem wir uns den gesamten Tag über mit dem Thema Abschied auseinandersetzten, rückte auch unser eigener Abschied immer näher. Bei einem Waldspaziergang, die Sonne kam zum Glück wieder, hatte jeder Zeit seinen eigenen Gedanken nachzuhängen.

 

 

Am Donnerstag war es dann soweit, das Entsendefest des SDFV fand statt. Wir Freiwillige ließen unserer Kreativität beim Zusammenstellen verschiedener Salate freien Lauf, dekorierten die Tische und bauten ein Kreuz für den Gottesdienst. Gemeinsam saßen wir ein letztes Mal am Lagerfeuer beisammen, haben gemeinsam gegessen und gesungen, begleitet von der Gitarre.

 

Und dann hieß es das erste Mal vor Ghana Abschied nehmen, denn bis auf meine drei Mitfreiwilligen sehe ich die Anderen erst bei unserem Nachbereitungsseminar im September 2019 wieder.

Kommentare: 1 (Diskussion geschlossen)
  • #1

    Uta Hillermann (Montag, 23 Juli 2018 10:28)

    Hey Jule, mit Freude lese ich in deinem Block. Schön zu lesen, wie du die zweite Woche der gemeinsamen Vorbereitung erlebt hast. DANKE, ich freue mich schon darauf mehr von dir zu lesen. sonnige Grüße aus Aachen Uta