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Arbeiten im FCP

Das FCP von außen
Das FCP von außen

Wahnsinn, jetzt ist der erste Arbeitsmonat schon um und ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Zwei Monate Ghana sind schon um und die Zeit rast. Ich weiß gar nicht, ob ich mich darüber jetzt freuen soll, weil das heißt, dass ich euch alle schon richtig bald wiedersehe oder lieber weinen, weil das Volu-Haus inzwischen wie ein zweites Zuhause ist und ich hier wahnsinnig viele liebe Menschen kennenlerne, außerdem genieße ich den Markt und die schnellen spontanen Einkaufsmöglichkeiten…

Aber dazu später mehr, erst Mal wollte ich euch von de Arbeit im FCP (First Contact Place) erzählen, dem zweiten Centre unseres Projektes. In der zweiten Hälfte de Oktobers durfte ich die Arbeit dort endlich kennenlernen. Wie der Name schon sagt, werden hier die ersten näheren Kontakte zu den Kindern geknüpft. Passend dazu liegt das FCP mitten im Herzen von Ashaiman.

 

Morning Devotion über den Dächern von Ashaiman
Morning Devotion über den Dächern von Ashaiman

Wie ein Kind ins Projekt kommt erkläre ich euch am besten von Anfang an, das ist nämlich ein ziemlich langer Prozess. Die Kinder im Projekt werden übrigens Beneficiaries genannt.

 

Unser Streetworker, Bro Tetteh, war als Kind selbst ein Beneficiary und hat somit sehr viel Verständnis für das Leben der Kinder. Bro Tetteh bewegt sich in den Straßen Ashaimans und nimmt dort Kontakt zu den Straßenkindern auf, dieser Prozess kostet häufig viel Energie und es ist eine großes Stück Arbeit, das Vertrauen der Kinder und ihrer Verwandten zu gewinnen.

 

Hat Bro Tetteh die ersten Kontakte geknüpft findet das sogenannte Follow-Up statt, hierbei besucht Bro Tetteh das Kind zuhause, dies geschieht nur dann, wenn das Kind etwas an seinem Leben verändern möchte!
Sind Verwandte und Kind mit dem Programm der Organisation einverstanden geht es ins FCP. Hier findet ein erstes offizielles Meeting statt, bei dem es darum geht der Familie die Organisation näher vorzustellen und mehr über das Kind zu erfahren. Im Meeting wird dann ein Vertrag unterschrieben, der beinhaltet, dass das Kind sein Leben verändern möchte und bereit ist sich an die Regeln des „Rays of Hope Centres“ zu halten und seine Verwandten alles tun um es dabei zu unterstützen.

 

 

Im FCP gibt es dann einen geregelten Alltag für die Kinder, fast wie in einer regulären Schule:

 

 

8.00 Uhr              Ankommen und Haus putzen
8.30 Uhr              Morning Devotion
9.00 Uhr              Start der Vorschulklassen
11.00 Uhr           Frühstückspause
12.00 Uhr           Zweite Unterrichtseinheit
14.00 Uhr           Schulschluss für die Vorschulkinder

 

15.15 Uhr           Beginn der Preps
17.00 Uhr           Zeit nach Hause zu gehen

Ein Teil unserer Vorschulkinder
Ein Teil unserer Vorschulkinder

Die neuen Beneficiaries starten dann mit den Vorschulklassen, unterteilt in drei Leistungsgruppen. Im Vorschulunterricht gibt es Kinder die ganz von vorne anfangen, mit Alphabet und Zahlen lernen, Andere können schon kurze Wörter lesen und beherrschen Plus und Minus und dann gibt es noch Level 3, Kinder, die  fließend lesen und schreiben können und alle vier Grundrechenarten kennen.

 

Generell dient der Vorschulunterricht zum näheren kennenlernen der Kinder und natürlich als Vorbereitung auf den zukünftigen Schulalltag. Wann ein Kind zur Schule darf wird jeweils individuell entschieden und so gibt es ab und zu auch Kinder die schon seit mehreren Jahren am Vorschulunterricht teilnehmen, da sie zwischendurch immer wieder auf die Straße zurückkehren.

 

Am Nachmittag kommen dann die ehemaligen Vorschulkinder vorbei. Diese wurden erfolgreich in Schule und Familie reintegriert, damit die Zusammenarbeit mit dem Projekt weiter gefördert wird und wir als Ansprechpartner für die Kinder erreichbar bleiben, finden am Nachmittag die sogenannten Preps statt. Hausaufgaben machen, für Klassenarbeiten lernen und Lesen üben, eine übliche Prep-Stunde. Was dabei nicht fehlen darf ist, dass die Kinder Hefte, Stifte und Schuluniformen vom Projekt gestellt bekommen, ohne diese finanzielle Unterstützung wäre es für viele Kinder nicht möglich eine Schule zu besuchen.

 

 

 

Das war jetzt eine ganz kurze Zusammenfassung des Alltags im FCP, aber natürlich habe ich hier schon viel mehr erlebt und ich weiß gar nicht so genau wo ich am besten Anfange. Ich versuche es mal von Anfang an.

Ausnahmsweise mal Klasse 1
Ausnahmsweise mal Klasse 1

Als ich nach zwei Wochen in Ayikuma wieder in Ashaiman ankam war ich erst einmal überwältigt von den mehrstöckigen Gebäuden, der Lautstärke und dem Trubel, dass vergisst man in Ayikuma ziemlich schnell. Gerade zurück in Ashaiman und es ging weiter mit Arbeit, die ist aber ganz anders als im WEM.

 

Ziemlich schnell habe ich angefangen die Klasse 3 zu unterrichten. Hier kann man richtige Unterrichtsinhalte vermitteln und beschäftigt sich nicht stundenlang mit dem Alphabet. Es ist dadurch aber auch eine ziemliche Herausforderung, denn wie erklärt man, einen Kondensator (Physik) auf Englisch und hat dann auch noch die passende Idee für ein Tafelbild? Manchmal gar nicht so einfach, da ich nur die Theorie aber nicht die Praxis zeigen kann und für manche Unterrichtsinhalte muss man ganz schön lange überlegen, um sich an die eigene Schulzeit zu erinnern.
Aber mit der Zeit kommt man immer mehr rein, unterrichten generell macht mir echt viel Spaß, allerdings habe ich dabei schon mehrere Situationen erlebt, die ich nicht so cool fand. Als an einem Vormittag Samuels Familie vorbeikam habe ich mir dabei erst gar nicht so viel gedacht. Samuel ist ein Schüler meiner Klasse und hatte am vorherigen Tag die zweite Unterrichtseinheit geschwänzt.

 

 

Endlich konnten wir es aufhängen
Endlich konnten wir es aufhängen

Mit mal hielt seine Großmutter mir dann einen Cane (Stock) entgegen mit dem Kommentar, dass ich ihren Enkel ordentlich bestrafen sollte, dafür das er weggerannt ist. Ich war einfach nur fertig mit den Nerven, nahm den Cane und meinte zu ihr, dass ich das tuen würde und war ziemlich froh, als sie ohne weiteren Kommentar wieder ging. Ich ging erst einmal vollkommen verstört zu Marie, da ich nicht so wirklich wusste, wie ich mit der Situation umgehen sollte. Wir beschlossen den Cane erstmal als Gardinenstange im Volu-Haus zu verwenden. Samuels Mitschüler fanden es gar nicht cool, dass ich den Cane nicht genutzt habe und seitdem führe ich fast täglich Diskussionen über das Schlagen im Unterricht. Richtig schockiert hat es mich dann, als die Kinder gefordert haben, dass ich anfangen soll den Cane zu nutzen, da sie nur so richtig lernen würden.
Jeder Versuch den Kindern begreiflich zu machen, warum wir nicht schlagen und warum ich denke, dass Kinder auch ohne die Prügelstrafe zu guten Menschen werden, scheiterte bisher. Dieses Thema beschäftigt mich hier momentan fast täglich und bisher konnte ich es für mich auch einfach noch nicht lösen. Da ich teilweise auch die Sicht der Kinder verstehen kann, für sie ist es selbstverständlich geschlagen zu werden und bei deutschen Strafen, wie kein Mittagessen können sie den Sinn einfach nicht erkennen. Wenn wir versuchen ihnen das deutsche Erziehungssystem zu erklären ist es für sie einfach nicht verständlich, genauso wie uns das ghanaische System nicht sinnvoll erscheint.

 

Das ganze klingt wahrscheinlich ziemlich hart und vielleicht denkt jetzt der Ein oder andere, das ist doch typisch Entwicklungsland, war ja klar, dass sie das nicht anders in den Griff bekommen… Derjenige sollte sich aber daran erinnern, dass die Prügelstrafe in Deutschland noch gar nicht so lange abgeschafft ist und es ein ziemlich langer Prozess war den Deutschen klar zu machen, dass man auch ohne erziehen kann. Sagt jetzt also nicht, dass wir als Deutsche das viel besser machen.

 

Comfort und Daniela
Comfort und Daniela

So genug der Moralbelehrung, es gibt auch echt berührende Momente. Da ist zum Beispiel Daniela, die vor drei Wochen ins Projekt gekommen ist. Danielas Mutter ist gestorben und hat Daniela jeden morgen nach dem Aufstehen fragen gestellt, stelle ich ihr jetzt im Unterricht fragen, wird sie immer an ihre Mutter erinnert. Heute hat sie mir Fotos ihrer Mutter mitgebracht, ein ziemlicher Vertrauensbeweis.

 

Suzzy, Daniela und Desmond, den Obrouni erkennt ihr ja hoffentlich ;)
Suzzy, Daniela und Desmond, den Obrouni erkennt ihr ja hoffentlich ;)

Hanatu ist erst seit einer Woche im Projekt und ich war die erste Weiße, die sie je in ihrem Leben gesehen hat. Jetzt könnt ihr euch vielleicht die Faszination vorstellen mit der sie mich betrachtet hat. Generell ist Hanatu ein wahnsinnig aufgewecktes Mädchen, dass alle Geschehnisse im FCP wahnsinnig interessiert verfolgt und alles erforschen muss. Als kleine Klette kommt sie dann in gefühlt jeder Pause angerannt um erst einmal an uns hoch zu klettern, wie ein Klammeraffe mit einer wahnsinnigen Körperspannung.

 

Ich könnte jetzt noch viel mehr zu den einzelnen Kindern erzählen, aber das würde diesen Bericht vermutlich sprengen…

 

 

 

Der doch anstrengende Vormittag wird auf jeden Fall immer wieder durch kleine Gesten der Kinder belohnt. So hab ich schon ein neues Portmonnaie, gefaltet aus einer Buchseite und natürlich Bilder.

 

Selfies machen üben wir noch, mit 15 Kindern einfach nicht möglich
Selfies machen üben wir noch, mit 15 Kindern einfach nicht möglich

Nach zwei Unterrichtseinheiten am Vormittag bin ich manchmal schon ziemlich geschafft. Wenn dann meine Pause wegfällt, da ich das Protokoll zu einem Eltern-Kind-Meeting schreiben muss, bin ich abends auf jeden Fall geschafft. Das klingt vielleicht hart und manchmal bin ich durch diesen Arbeitsalltag ganz schön geschafft, aber die Meetings sind jedes Mal interessant. Es ist häufig total beeindruckend zu hören was die Kinder schon alles erlebt haben und mir kommt fast jedes Schicksal härter vor als das Vorherige.
Da ich inzwischen immer mehr in die Rolle derjenigen reingerutscht bin, die diese Meetings betreut, gehe ich inzwischen mit einem ganz anderen Blick über den Markt und erkenne immer mehr den Sinn unserer Arbeit. Ich merke einfach wie aussichtslos die Perspektive mancher Kinder sonst wäre. Wenn ich mir dann überlege, wie viele Kinder ich tagtäglich noch auf dem Markt verkaufen sehe und wie wenigen wir im Verhältnis nur helfen können, verändert sich die Perspektive nochmal ganz schön.

 

Und immer wieder die Frage, wo kommt ihr eigentlich her...
Und immer wieder die Frage, wo kommt ihr eigentlich her...

Und dann kommen auch schon die älteren Beneficiaries, hier sieht man die ersten Erfolge des Projektes, denn diese Kinder haben, zum Großteil, den Sprung in einen geregelten Alltag geschafft. Ich weiß, dass auch diese Kinder immer noch Hilfe beim Lernen brauchen und finde die Idee der Preps wahnsinnig gut, leider fehlt mir momentan manchmal die Kraft und Energie am Nachmittag noch einmal voll durchzustarten, da der bisherige Tag häufig schon anstrengend war.

 

Und dann ist endlich Feierabend, zu mindestens halbwegs, denn angekommen im Volu-Haus wartet noch Haushalt, Garten, Wäsche und das überarbeiten von Protokollen auf einen, aber wenigstens in einer ruhigen Atmosphäre.

 

So jetzt kennt ihr meinen Alltag und es tut mir leid, dass es schon wieder so wahnsinnig viel Text geworden ist…

 

Was sonst noch passiert ist, lest doch einfach selbst.

 

 

 

Bis demnächst,

 

Eure Jule

 

 

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